Erfolgreich und trotzdem noch ich selbst - geht das?

Erfolg. Ein Wort, das mir vor allem mit Beginn meiner Selbstständigkeit, aber auch im Rahmen von Persönlichkeitsentwicklung immer häufiger begegnete.

Das Thema Erfolg begleitet mich schon sehr lange und ich kann gar nicht mehr die Stunden zählen, die ich bereits darüber nachgedacht habe. Es fesselt mich insbesondere deshalb, weil ich die Konsequenzen des permanenten Erfolgsstrebens selbst miterleben und ansehen durfte.

Ständiges Erfolgsstreben hat Konsequenzen

Immer wieder erlebte ich Unternehmen, die je größer und erfolgreicher sie wurden, an Qualität, Menschlichkeit und Authentizität verloren.
Als ich eines Tages mit einem ehemaligen Arbeitskollegen darüber sprach, brachte dieser einen netten Vergleich ein. Er erzählte mir von der Serie How I met your mother, in der Barney Stinson, einer der Charaktere der Serie und begehrter Frauenheld, von der Crazy-Hot-Scale sprach. Barney war aufgefallen, dass je heißer eine Frau ist, sie um so durchgeknallter sei. Nun, ob diese Feststellung wahr ist, soll hier jetzt nicht diskutiert werden. Doch die Analogie, die mein ehemaliger Arbeitskollege in unserem Gespräch vornahm war interessant. Wir beide hatten beobachtet, dass Unternehmen ab einem bestimmten Punkt des Erfolges wie zu kippen schienen. Während anfangs noch die Sache an sich und die Bereitstellung eines guten Angebots, das von Herzen kam im Vordergrund stand, ging es irgendwann nur noch um Zahlen und Wachstum. Auf einmal wurden permanent neue Produkte auf den Markt geschmissen, die entweder an Qualität einbüßten oder deren Nutzen sich nicht mehr erschließen ließ. Das Marketing hatte haarsträubende, teilweise manipulierende Versprechen abzugeben und den Zielgruppen hinterher zu jagen. Gleichzeitig gerieten die Mitarbeiter mehr und mehr unter Druck. Höher, schneller, weiter, effizienter, bei steigendem Workload war die Devise. Oftmals wurden überdimensionierte Wachstumsziele angestrebt und der Verdruss der Führungsebene wurde umso spürbarer, wenn diese Ziele überraschenderweise nicht erreicht wurden.

Die Freude an der Sache und das Verfolgen einer Vision waren gewichen. Stattdessen stellte sich Sinnlosigkeit, Kontrolle, mangelndes Vertrauen und Druck ein - bei den Mitarbeitern sowie den UnternehmerInnen und Führungskräften.

Fasziniert von diesem Phänomen, wurde ich aufmerksamer darauf. Schon bald stellte ich fest, dass sich dieses nicht nur bei Unternehmen beobachten lässt. So erlebte ich z.B. Musiker, die sich anfangs voll und ganz selbst zum Ausdruck brachten und Menschen damit bewegten. Mit wachsendem Erfolg stieg hingegen der Turnus ihrer veröffentlichten Werke. Gleichzeitig war das Herzblut, der Ausdruck ihrer selbst und ihre Hingabe nicht mehr spürbar.

Aber auch bei Menschen im Angestelltenverhältnis konnte ich dieses Phänomen beobachten. Das Gehalt und der berufliche Status wurde auf einmal wichtiger, auch wenn man den Job nicht mit großer Freude tat. Und irgendwann nahm die Motivation ab und der Frust zu.

Egal ob UnternehmerIn, KünstlerIn oder Angestellte - bei allen zeigte sich eine permanente Unzufriedenheit. Teilweise auch mit fatalen Folgen, wie Alkoholkonsum, Drogenmissbrauch, steigender Narzissmus, Depressionen & Co.

Erfolgsdruck hat mit Angst zu tun

Immer häufiger fragte ich mich, warum sich bei diesen Menschen praktisch ein Schalter umlegte und der Fokus nur noch auf Erfolg gerichtet war. Dabei kam ich zu mehreren Erkenntnissen.

Erfolg anzustreben ist per se nichts Schlechtes. Mir selbst ist es auch wichtig, erfolgreich zu sein. Dabei ist es jedem selbst überlassen, wie und in welchem Maße dieser Erfolg aussehen soll.

Doch es gibt viele Menschen, die Erfolg anstreben, weil sie damit etwas kompensieren. Diese haben oft den eigenen Wert nicht erkannt oder können nicht dazu stehen. Erfolg kann ihnen ein gutes Gefühl von Bestätigung, Kontrolle, Status, Macht und Wert geben - wenn auch nur kurzfristig. Je mehr sie davon bekommen, desto mehr giert es ihnen danach. So lange sie im Inneren nicht mit sich im Reinen sind werden sie immer wieder die Bestätigung im Außen suchen.

Doch nicht jeder braucht Erfolg, um sein Ego aufzupolieren. Viele beginnen z.B. ein Business aus der Freude heraus. Doch mit steigendem Erfolg, Gehalt oder auch wachsender Beliebtheit steigt der Druck, dieses Level zu halten. Unsere Ausgaben steigen - wir haben uns einen besseren Lebensstandard aufgebaut, mehr Mitarbeiter zu bezahlen und und und. Gleichzeitig schmeichelt der Status und die Beliebtheit unserem Ego, was sich, wie bereits oben erwähnt, zu einer richtigen Gier entwickeln kann.

Egal ob wir schon immer nach Erfolg strebten oder dieser einfach passierte. Letztendlich füttert unser Ego uns mit Angst. Angst, nicht mehr geliebt zu werden, Angst ohne Erfolg nichts mehr wert zu sein, Existenzangst, Kontrollverlustangst, usw. Unterstützt wird diese Angst mit dem zusätzlichen Druck von außen. Da sind auf einmal mehr Erwartungen, die es zu erfüllen gilt, Mitarbeiter, die bezahlt werden müssen, bestimmte Leistungen zu erbringen, Anpassungen, denen man Folge zu leisten hat, Verlust von Ansehen, usw.

In Folge dessen kann Erfolg uns in eine Abwärtsspirale bewegen. Einmal auf psychischer und physischer Ebene für uns selbst, aber auch in dem, was wir nach außen geben. Je weniger wir aus unserem Herzen agieren und uns damit nicht mehr treu sind, desto mehr wird das auch im Außen spürbar. Denke doch mal selbst z.B. an Marken, die du einmal mochtest und dich heute eher über sie aufregst. Warum? Weil das Produkt nicht mehr gut ist, sie dir ständig irgendeinen neuen Blödsinn andrehen wollen, dich mit manipulativen Werbemails locken oder nicht mehr persönlich ansprechbar sind, um Kosten zu sparen. Alles, weil sie nur noch nach dem wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet sind und demnach nach deinem Kauf lechzen. Was passiert? Du wirst irgendwann ihre Produkte nicht mehr kaufen wollen.

Und wenn ich eines gelernt habe ist, dass Erfolg uns nicht glücklich macht, wenn er auf Zwang basiert. Dann fangen wir nämlich an uns selbst hinten an zu stellen. Wir vergessen, warum wir damit begonnen haben, das zu tun, was wir tun. Wir werden zu Marionetten unseres Erfolgsstrebens, nie zufrieden mit dem, was schon da ist.

 

Doch woher kommt diese Angst?

Wie ich selbst erfahren durfte und auch immer wieder in meinen 1-on-1 und Weiterbildungen mitbekomme, hat der Großteil unserer Gesellschaft ein verzerrtes Geld- und Erfolgs-Mindset. Aufgrund unserer Erfahrungen und dem was uns beigebracht sowie vorgelebt wurde denken wir, dass Geld und Erfolg nur durch harte Arbeit, Druck und Ausbeute entstehen kann. Das ist dann auch der Grund, warum wir über reiche, erfolgreiche Menschen oft abschätzig denken. Oder wir haben Probleme mit Erfolg und Geld umzugehen, weil wir Angst haben, dass uns beides wieder entgleiten könnte. Dann fangen wir an es zu horten oder aus Angst und Druck noch mehr anzustreben. Was wir nicht wissen: Geld und Erfolg steht uns in Hülle und Fülle zur Verfügung. Es gibt hier keine Begrenzung. Und dazu muss man niemand ausbeuten oder sich verstellen.

Doch beides liegt in unserer Hand. Eine wichtiger Bestandteil für Erfolg ist nämlich unsere Individualität.

Glück ist keine Lotterie-

Die Angst nicht genügend Geld zu verdienen beschränkt uns in dem wer wir sind.

Erfolg ist für viele etwas anderes als wirtschaftliches Wachstum oder Reichtum

Im Rahmen dieses Artikels und meiner Analyse über Erfolg habe ich etliche Menschen gefragt, was für sie Erfolg bedeutet. Und die Antwort war fast immer dieselbe. Die meisten sagten "Das zu tun, was ich gerne und mit Freude tue." Für mich war es spannend zu sehen, dass Erfolg für die meisten Menschen in meinem Umfeld gar nicht der Wirtschaftliche bedeutete. Und dennoch streben fast alle in erster Linie danach.

Interessanterweise denken wir oft, dass wir erst Geld verdienen und finanziell erfolgreich sein müssen, um das zu tun, was wir lieben. Doch aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das ein Trugschluss ist. Wir können jederzeit damit beginnen, wir müssen nur anfangen dafür loszugehen.

Um tiefer in die Materie einzutauchen las ich Bücher über erfolgreiche Menschen, die für mich gleichzeitig sehr erfüllt wirkten. Diese hatten meist kein Bestreben nach großem Erfolg. Sie wollten einfach nur das tun, was sie gerne taten. Und als er dann kam, fokussierten sie sich weiterhin darauf, sich selbst treu zu bleiben und sich nicht vom Erfolgsdruck schlucken zu lassen. Der Erfolg war und blieb die logische Konsequenz aus dem Leben ihres wahren Seins.

Unter Erfolg nicht einzubrechen, ist eine große Herausforderung. Davon kann ich selbst ein Lied singen. Das Gefährliche ist ja gar nicht der Erfolg per se, sondern unser mangelndes Bewusstsein darüber, wie wir uns von ihm steuern lassen. Wir sind auf einmal nicht mehr zufrieden mit dem was jetzt ist. Wir denken unbedingt weiter wachsen zu müssen. Wir verbiegen uns, werden ungut uns selbst und anderen gegenüber und vergessen darauf zu schauen, was wir tief in uns drin eigentlich wirklich in die Welt hinaus tragen wollen. Nur um jeden Preis erfolgreich zu sein oder zu bleiben.

 

Wer sind wir, wenn der Erfolg auf einmal weg ist?

Doch wirtschaftlicher Erfolg, insbesondere in Verbindung mit Wachstum ist begrenzt. Aber auch Ansehen und Status können verloren gehen. Das haben wir nicht unter Kontrolle, auch wenn wir das glauben und es immer wieder krampfhaft versuchen. Und was bleibt uns dann? Wer sind wir dann noch, wenn wir uns darüber definieren?
Was nützt uns also all das Geld auf dem Konto, der höhere Lebensstandard, der Ruhm, der wirtschaftliche Status, der Marktanteil sowie das Gefühl nach Sicherheit und Kontrolle, wenn wir uns damit schlecht fühlen? Macht das das Leben lebenswert?

 

Sollten wir uns vielleicht wieder mal darauf besinnen, was wir wirklich antworten, wenn man uns nach Erfolg fragt? Denn den Erfolg, der damit einhergeht, das zu tun, was wir lieben, kann uns keiner nehmen. Egal ob im Kleinen oder Großen - wir leben in einer privilegierten Gesellschaft, in der es uns möglich ist, das zu tun, was uns Freude bereitet. Lediglich wir selbst stehen uns darin im Weg. Und keine Frage, das braucht Mut, Vertrauen und Selbstreflexion. Doch wenn wir das erkennen, können wir dafür schon mal losgehen und finden passende Wege. Dann entstehen Angebote, die Menschen Freude und einen unglaublichen Nutzen bieten. Dann brauchen wir niemanden hinterher rennen, denn dann kommen die Menschen gerne zu uns. Dann finden wir Motivation und Freude in unserer Arbeit und bereichern damit andere automatisch. Dann gehen wir gut mit anderen um und ernten ihre Loyalität. Dann finden wir Fülle von ganz allein, ohne dass wir wirtschaftlichen Erfolg zwanghaft dafür anstreben müssen.

Erfolg ist per se nichts Schlechtes.

Gleichzeitig möchte ich betonen, dass ich Erfolg in jeglicher Form nicht verurteile. Auch ich strebe danach und es verleiht mir Antrieb. Vor allem im unternehmerischen Kontext ist es oft wichtig, sich wirtschaftliche Ziele zu definieren, um eine Orientierung zu haben. Doch ich habe für mich erkannt, was es aus mir macht, wenn ich mich dafür versklave und meinen Wert darüber definiere. Denn dann verfalle ich in Ungeduld und fange an, mich zu verbiegen. Was passiert, ist dass ich unglücklich und unzufrieden bin und nicht mehr das Gute sehe, was jetzt schon da ist. Des Weiteren wird mein Output schlechter und ich verliere die Freude an der Arbeit.

Das Streben nach Erfolg sollte immer damit einhergehen, dass es uns in unserem Sein und in unserem Ausdruck bestärkt, nicht limitiert. Dann stärkt es uns selbst und unsere Marke. Wir sollten uns immer fragen, ob wir z.B. Wachstum anstreben, weil es uns eine Herzensangelegenheit ist oder weil unser Ego meint, unseren Wert steigern zu müssen. Finanzieller, wirtschaftlicher Erfolg oder Ansehen ist damit ja nicht ausgeschlossen. Es dann eben nur eine Konsequenz aus dem Sein und fühlt sich nur erfüllender, befreiter an.

 

Und somit möchte ich dir abschließend noch folgende Fragen stellen:

  • Was bedeutet für dich tatsächlich Erfolg? Welcher Erfolg erfüllt dich wirklich?

  • Lässt du dich von wirtschaftlichem Erfolg und Wachstum dirigieren oder nutzt du es einfach als Antrieb heute schon die Person zu sein, die du sein möchtest?

  • Wovor hast du am meisten Angst, wenn du den Fokus auf wirtschaftlichen, finanziellen Erfolg, Status und Wachstum ablegst?

  • Was kannst du heute schon tun, um dich dieser Angst zu stellen und dich selbst mehr zu leben?

"Erfolg erkennst du, wenn es aus dem wahren Wirken eines Menschen erfolgt."
Günter Peham - WerteVollLeben

Weiter
Weiter

Von wegen Perfektionismus