Von wegen Perfektionismus

Ich möchte heute über ein Thema schreiben, dass mir schon seit einiger Zeit auf der Seele brennt. Perfektionismus! Nun ja, eigentlich geht es eher darum, zu erkennen, wann es kein Perfektionismus ist.

Gerade auf dem Weg in meine Selbstständigkeit wurde ich unausweichlich immer wieder mit Perfektionismus konfrontiert. Unter anderem deshalb, weil ich mich selbst immer wieder in eine Perfektionistin verwandle. Aber dieses Mal tappte ich auf eine andere Weise in die Perfektionismus-Falle. 

Während den Anfängen meiner Selbstständigkeit zur Unternehmensberaterin tauschte ich mich mit den unterschiedlichsten Menschen aus, um mir Tipps und Erfahrungswerte einzuholen. Trotzdem ich mich für die Selbstständigkeit entschieden hatte, spürte ich, dass ich noch Zeit brauchte, um mich zu finden. Wer bin ich? Wo ist mein Platz? Was ist meine Aufgabe und was genau biete ich an? Ein grobes Konzept hatte ich zwar im Kopf, was sich jedoch für mich noch nicht rund und stimmig anfühlte. Demnach wollte ich mir auch mit meiner Website und allen anderen Maßnahmen Zeit lassen.

Bremste mich tatsächlich mein Perfektionismus aus?

Und dennoch musste ich mir von vielen Coaches, Consultants und Spezialisten anhören, einfach mal loszulegen und endlich ins Tun zu kommen. Ich solle die Perfektionistin beiseiteschieben und über meinen Schatten springen. Ich hätte wahrscheinlich nur Angst, mich zu zeigen oder von anderen abgelehnt zu werden und wolle deshalb vorab alles möglichst perfekt erarbeiten. Der Perfektionismus bremse mich quasi aus. Doch irgendwie fühlte sich das mit dem Perfektionismus nicht stimmig für mich an. Mit einer Sache hatten sie allerdings recht. Ich hatte Angst. Nur nicht diese, die mir suggeriert wurde. Vielmehr stand ich unter dem Druck, Kunden zu gewinnen. Mein Konto war nicht prall gefüllt, um mich entspannt zurück zu lehnen und mir Zeit zu lassen. Ich musste möglichst schnell Geld verdienen.

Obwohl ich innerlich das Gefühl hatte noch nicht soweit zu sein, wollte ich also meinen angeblichen Perfektionismus überwinden und in die Umsetzung gehen. So versuchte ich möglichst schnell meine Website fertig zu bekommen, meinen Podcast zu starten und auf LinkedIn zu posten.

Es begann eine Zeit, in der ich mich immens unter Druck setzte und mich dauerhaft gehetzt fühlte. Ich fing an verkopft Texte für meine Website zu schreiben, die ich mittels Leitfäden aus Büchern erarbeitete. Gleichzeitig setzte ich mich an meinen Podcast, überlegte mir LinkedIn Posts und schaute, welche Kanäle ich noch bedienen müsse.

Das Ergebnis: Meine Texte für die Website waren unklar und ich erhielt als Rückmeldung, meine Ideen und Texte würden mich selbst nicht wirklich widerspiegeln. Meinen Podcast nahm ich immer und immer wieder neu auf. Doch irgendwie flutschte es nicht richtig und die Themen waren für mich verkopft, verkrampft und gingen mir nicht leicht von den Lippen. Wer mich kennt, weiß, dass Reden zu meiner Königsdisziplin gehört. Umso verwunderter war ich, dass ich wie blockiert war. Auch meine LinkedIn Posts verwarf ich immer wieder, weil ich nicht die richtigen Worte und Inhalte fand über die ich eigentlich reden wollte. Von Tag zu Tag verlor ich immer mehr die Freude und fühlte mich immer erschöpfter. Ich verlor jegliche Motivation, kam morgens kaum aus dem Bett und sehnte mich nach einem erholsamen Urlaub. 

Nicht die Perfektionistin sprach aus mir, sondern die Angst

Kurz vor meinem heiß ersehnten Urlaub nahm ich an einem Seminar teil, in dem es darum ging, sein Unternehmen mit mehr Leichtigkeit und gemäß seiner Intuition zu führen. Ich merkte, wie stark ich mit den Inhalten resonierte und wie sehr ich mich eigentlich genau nach dieser Leichtigkeit sehnte. Nach und nach erkannte ich, dass ich nicht in eine Perfektionismus-Falle getappt war, sondern mich meine Existenzangst angetrieben hatte und mich letztendlich verkopfen und verkrampfen ließ. Es war nicht die Perfektionistin in mir, die sich damals Zeit lassen wollte, sondern meine Intuition, mir für meine Entwicklung den Raum zu geben, den ich brauchte. Die Angst wollte mich nur daran hindern. Mir wurde klar, dass wir von anderen oft in die Perfektionisten Schublade gesteckt werden, weil ein Unverständnis dafür herrscht, wenn wir Dinge richtig und gut machen wollen. Mit anderen Worten, wenn wir die Dinge so machen wollen, wie es sich für uns gut anfühlt. Und das braucht nun mal Zeit.

Ungeduld und Schnelligkeit prägt unsere Gesellschaft

In unserer Gesellschaft sind wir so geprägt, möglichst schnell ins Tun bzw. ins Umsetzen zu kommen. Wir vergessen dabei allzu oft, dass der Entwicklungsprozess wichtig ist. Sehr häufig habe ich es vor allem in Unternehmen erlebt, dass Projekte schnellstmöglich umgesetzt wurden, nur um anschließend wieder von vorne anzufangen. Immer, weil der Vorarbeit zu wenig Zeit gewidmet wurde. Das Ende vom Lied waren gestresste und frustrierte Mitarbeiter, höherer Zeitaufwand und verschwendete Kosten. 

Es gibt nicht umsonst den Spruch 'Gut Ding braucht Weile'.  Doch wir haben keine Weile mehr, weil wir nicht vertrauen. Wir vertrauen nicht, dass wir zur richtigen Zeit Kunden bekommen werden, wir vertrauen nicht in uns selbst, wir vertrauen nicht in einen Prozess, usw.  Letztens habe ich einen sehr passenden Spruch gehört 'Ungeduld ist die Konsequenz von mangelnden Vertrauen.' Und hinter mangelnden Vertrauen steckt immer eine Angst. Das setzt uns unter Druck, verprellt unnötige Zeit und Energie und macht uns in letzter Konsequenz unglücklich.

Als ich das erkannt hatte, stellte ich mich meiner Angst und begegnete ihr mit Mitgefühl und Verständnis. Ich überlegte mir, was ich tun kann, um mich finanziell abzusichern und mir gleichzeitig die Zeit für meinen Prozess zu geben. Ich suchte mir einen Job, der alle meine Kosten abdeckte und entschied mich bewusst ab sofort mehr meiner Intuition zu folgen.

Ich ließ mir Zeit für meine Website-Texte. Und an einem Tag waren sie auf einmal da. Ich konnte sie aus vollem Herzen und mit Leichtigkeit schreiben. Des Weiteren entschied ich mich, meine Website ohne Podcast online zu stellen und verzichtete auf Posts auf Social Media. Stattdessen widmete ich mich mehr der Findung meiner wahren Berufung, vernetzte mich immer mehr mit den unterschiedlichsten Menschen und öffnete mich für jegliche Art von Impulsen.

Gib dir Zeit und Raum und es passieren viele fantastische, unerwartete Dinge

Und auf einmal fing es an zu Sprudeln. Jedoch kamen ganz andere Sachen hoch als die, die ich erwartet hatte. Ich schrieb ein Buch, entwickelte ein ganz eigenes Markenkonzept, arbeitete an meiner ersten Keynote und widmete mich verstärkt der Musik. Des Weiteren kamen völlig neue Ideen für meinen Podcast zum Vorschein, bei denen ich wusste, dass sie etwas mehr Zeit benötigten.

Und das Schönste dabei: Ich war zufriedener und glücklicher mit meinem Output als je zuvor. Ich hatte nicht das Gefühl, dass irgendwas davon anstrengend war. Ganz im Gegenteil es machte mir Spaß, ich fühlte mich beflügelt und war voller Energie.

Vor kurzem traf ich mich mit einer Freundin, die sich ebenfalls gerade ihr Business aufbaut. Rein zufällig kamen wir genau auf das Thema Perfektionismus zu sprechen. Sie erzählte mir, dass sie genau in dieselbe Falle getappt war. Eben, weil ihr im Außen signalisiert wurde, ihr Perfektionismus würde sie nur ausbremsen und es müsse nicht alles perfekt sein, damit sie losstarten kann. Auch sie glaubte, schneller voran kommen zu müssen und setzte sich unter Druck. Bis sie erkannte, dass es nicht ihr Perfektionismus war, der sie ausbremste, sondern sie einfach noch nicht soweit war. Sie steckte ebenfalls mitten in einem Prozess fest und wollte sich diesem auch bewusst hingeben. Stattdessen wurde sie davon abgelenkt und tat auf einmal Dinge, die ihr nicht entsprachen.

Ein paar Impulse, um deinen für dich passenden Weg zu gehen

Bei meinem Spaziergang heute im Wald kam mir dann der Impuls, dazu einen Blog Beitrag zu schreiben. Des Weiteren überlegte ich, wie wir erkennen können, ob es tatsächlich unser Perfektionismus ist, der uns ausbremst oder wir eigentlich auf dem richtigen Weg sind. Und was wir tun können, um den Pfad nicht wieder zu verlassen. Folgendes habe ich mir dazu notiert:

  1. Frag dich immer, was die Motivation hinter deinem Handeln oder auch Nicht-Handeln ist. Bist du getrieben von Angst?

    Hinter Perfektionismus verbergen sich u.a. folgende Ängste, die uns ausbremsen oder uns unter Druck setzen: Die Angst nicht gut genug zu sein, die Angst vor Ablehnung, die Angst, die Erwartungen anderer nicht zu erfüllen, die Angst keine Kunden zu bekommen, die Angst kein Geld auf dem Konto zu haben, die Angst etwas falsch zu machen, wenn man nicht auf andere hört.

  2. Höre auf deine Intuition. Frage dich: Was sagt mir mein Gefühl? Bei was fühle ich mich unter Druck? Wann wird es eng in meiner Brust oder in meinem Magen und wann weit und entspannt? Habe ich das Gefühl, es für mich zu tun oder eher wieder entsprechen zu müssen?

    Seiner Intuition zu folgen bedarf Übung. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und auch ich übe mich regelmäßig immer wieder darin. Aber ich verspreche dir, je mehr du deiner Intuition folgst, desto mehr und klarer wirst du sie spüren.

    Wir folgen oft nicht unserem Gefühl bzw. unserer Intuition, weil wir lieber anderen trauen als uns selbst. Das liegt daran, dass wir oft schon von klein auf aberzogen bekommen auf uns selbst zu hören und uns vielmehr danach ausrichten, was andere von uns erwarten. Zudem leben wir in einer Welt, die mehr von Angst als von Vertrauen und Zuversicht geleitet ist. Kein Wunder also, dass es uns so schwer fällt, unserer Intuition zu vertrauen.

  3. Schaue dir deine Angst genau an. Begegne ihr mit Verständnis und Mitgefühl. Überlege dir, was du brauchst, um dich besser deiner Intuition hinzugeben.

    Ängste sind eine Sache des Verstandes und meist konditioniert. Dein Verstand möchte dich mit der Angst lediglich schützen. Dennoch heißt das nicht, dass er es damit auch unbedingt tut. Dein Verstand geht in den meisten Fällen nicht danach, was dir gut tut, sondern danach, was er gelernt hat. Wir haben gelernt, immer abgesichert zu sein. Wir haben gelernt, dass unser Gefühl weniger zählt als die Meinung anderer. Wir haben meist gelernt, nie gut genug zu sein. Mein Verstand bzw. meine Angst wollte mich beschützen, nicht in ein Existenzloch zu fallen. Doch wäre ich ihr weiter gefolgt, wäre ich wahrscheinlich in ein Burnout gerast.

    Wenn du deine Angst identifiziert hast, dann versuche sie nicht zu unterdrücken. Das macht sie nur schlimmer. Jedes Mal wenn sie aufkommt, schaue sie dir an, nimm sie an und überlege, was es für dich braucht, um dich daraus zu befreien oder diese zumindest abzumildern. Dies hilft dir, damit du deinen eigentlichen Weg gehen kannst. Bei mir war es der Nebenjob und das Ansparen eines finanziellen Puffers, der mir geholfen hat, mehr Geduld für meine Entwicklung aufzubringen.

  4. Und zu guter letzt: Feel the flow.
    Wenn du merkst, dass dir die Dinge auf einmal leichter von der Hand gehen, du Energie hast und dich gut fühlst, bist du auf einem guten Weg.

Bitte beachte, dass das einen Moment dauern kann und dich deine Ängste einholen können. Das ist ganz normal, weil du aus deinem Muster ausbrichst und dich für deinen Verstand ins Unbekannte begibst.

Nicht alles ist Perfektionismus. Wobei ich immer sage, gesunder Perfektionismus ist es, wenn es sich für dich von ganzem Herzen stimmig und gut anfühlt.

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